Die Angst eines Meteorologen beim Kaltlufttropfen
Die Angst eines Meteorologen beim Kaltlufttropfen
Ein Kaltlufttropfen entsteht in den meisten Fällen als Produkt eines Abschnürungsprozesses („Cut-Off-Prozess“) eines Troges in der mittleren und höheren Troposphäre. Der Höhentrog selber ist ein Gebilde tiefen Luftdrucks in höheren Schichten, der angefüllt ist mit kalter Luft. Zur Identifizierung werden sogenannte 500 hPa-Geopotenzial-Karten herangezogen, die die dynamischen Verhältnisse in etwa 5,5 km Höhe wiedergeben. Dabei zeigt sich in diesen Karten der Trog durch eine Art Ausbuchtung, die häufig nach Süden gerichtet ist. In einigen Fällen kann es passieren, dass sich diese Ausbuchtung von der eigentlichen Höhenströmung ablöst und ein eigenes Leben als Cut-Off-Tief oder als Kaltlufttropfen weiterführt.
Im Unterschied zu einem Cut-Off-Tief ist der Kaltlufttropfen nicht über die gesamte Troposphäre zu erkennen. Oftmals befinden sie sich im Randbereich eines Bodenhochs, außerdem ist keine Frontenaktivität am Boden vorhanden und es gibt auch keine geschlossene Bodenisobare (weitere Informationen zum Thema finden Sie im Lexikon unter www.dwd.de/lexikon, Stichwort „Kaltlufttropfen“).
Der mit Kaltluft angefüllte Tropfen hat meist ein kreisrundes Aussehen und „schwimmt“ – ähnlich wie ein Fetttropfen in einer heißen Suppe – in der ihn umgebenden wärmeren Luft. Genau das macht die Vorhersage aber so schwierig. So gibt es vor allem bei der Zugbahn und der Lebensdauer Probleme. Schon wenige Kilometer Unterschied in der Lage können wesentliche Änderungen für die Vorhersage an einem Ort bedeuten. Anstatt vorhergesagten Sonnenscheins tauchen auf einmal dichte Wolken auf, die vielleicht sogar Regen bringen. Elfmeter nicht gehalten, schade.
Aktuell liegt am heutigen Sonntagmorgen ein Kaltlufttropfen über der Schweiz (siehe dazu die Grafik, zu finden unter www.dwd.de/tagesthema). Er hatte sich am vergangenen Mittwoch aus einem Cut-Off-Prozess über Osteuropa gebildet und war dann in Richtung Westen in die Biskaya gezogen. Nun hat er seinen Rückweg in Richtung Osten angetreten, zeigt jedoch auch schon Auffüllungstendenzen. In den nächsten Stunden zieht er voraussichtlich nach Österreich weiter, am Montag wird er im Tagesverlauf über Bulgarien oder Rumänien zu finden sein, wobei er sich weiter auffüllt. Am Dienstag kommt er über dem Schwarzen Meer an, nach dem deutschen Wettermodell soll er sich dann aber bereits aufgelöst haben. Das europäische Modell lässt ihn noch bis Dienstag „leben“. Auch in diesen Unterschieden manifestieren sich nochmals die Vorhersageschwierigkeiten.
Für die heute noch recht sichere Vorhersage bedeutet die durch den Kaltlufttropfen hervorgerufene Hebung etwa bis zur Mainlinie dichte Wolken und zeitweiligen Regen. Nach Norden hin macht er sich nicht bemerkbar, dort gibt es mehr Sonnenschein und es bleibt trocken. Am Nachmittag verlagert sich der Regen mit dem sich nach Österreich verlagernden Kaltlufttropen ebenfalls nach Osten, sodass es von Westen her wieder abtrocknet und nachfolgend auch etwas die Sonne hervorkommt. In der Bodenanalyse ist dieses Niederschlagsgeschehen aktuell nicht mit Fronten verbunden.
Mit der weiteren Verlagerung des Kaltlufttropfens in Richtung Schwarzes Meer lässt sein Einfluss über Deutschland nach, sodass die Niederschläge in der Nacht zum Montag nach Südosten abziehen. Sollte die Vorhersage wie hier skizziert eintreffen (was der Autor natürlich inständig glaubt und hofft), wurde der Elfmeter doch gehalten.
Dipl.-Met. Simon Trippler Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 04.10.2015 Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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