Turbulenter Besuch von „ex-HENRI“
Turbulenter Besuch von „ex-HENRI“
Wer in den vergangenen Tagen das Wettergeschehen verfolgt hat, wurde
mit einer Vielzahl verschiedener Wetterphänomene konfrontiert.
Angefangen hat dabei alles mit der Entstehung des Tropensturms HENRI
vor gut einer Woche am 09.09.2015 östlich der Bermuda-Inseln. Bis zum
11.09. zog HENRI als Tropensturm über den Atlantik in Richtung
Norden, dann erfolgte die Abschwächung zu einem sogenannten
außertropischen Tief namens „ex-HENRI“.
Genau dieses außertropische Tief bog vor der Küste Neufundlands der
Höhenströmung folgend „scharf rechts“ ab und nahm Kurs über den
Nordatlantik auf Europa. Nach dem doch recht weiten Weg über den
nordatlantischen Ozean, die Bretagne und Südengland, erreichte
ex-HENRI am Donnerstag (17.09.2015) die Nordsee. Eine Skizze der
Zugbahn von HENRI bzw. ex-HENRI finden Sie auf unserer Facebook-Seite
unter www.facebook.com/DeutscherWetterdienst (Stand: 16.09.2015).
Da diese ehemaligen Tropenstürme oftmals für eine Überraschung
bezüglich der Wetterentwicklung, zumindest aber für turbulentes
Wetter gut sind, läuten bei Meteorologen schon mal die Alarmglocken,
wenn diese Druckgebilde mit ihrem Frontensystem ins mitteleuropäische
Wettergeschehen eingreifen. Während uns die Warmfront von ex-HENRI
bereits am Mittwoch (16.09.2015) nordostwärts überquerte und für
schauerartigen Regen sorgte, ließ die Kaltfront noch bis zum späten
Mittwochnachmittag auf sich warten, ehe sie auf die westlichen
Landesteile Deutschlands übergriff.
An dieser besagten Kaltfront kündigte sich über Frankreich einiges
Unheil an. Bereits am Mittwochnachmittag gegen 17 Uhr stieg die
Blitzrate vor allem in den Regionen Champagne-Ardenne und Lothringen
auf über 20.000 Blitze innerhalb einer Stunde. Zudem kam es an der
Gewitterfront zu orkanartigen Böen. Rückseitig bildete sich in der
Region Poitou-Charentes im Departement Charantes-Maritime sogar ein
Tornado aus, der mittlerweile auch offiziell bestätigt wurde. Die
traurigen Nachrichten über die verlorenen Menschenleben und hohen
Schäden konnte man auch in der deutschen Presse verfolgen. In
Deutschland selbst traten am Mittwochabend und in der Nacht zum
Donnerstag zwar auch kräftige Gewitter auf, größere Schadensmeldungen
sind allerdings nicht bekannt. In Hamm wurde von einem Sturmjäger
eine sogenannte Funnelcloud, also eine rotierende Trichterwolke, bei
der sich der rotierende Wirbel jedoch nicht bis zum Boden als Tornado
durchsetzte, erkannt.
Im Vorfeld der Kaltfront trat in Deutschland aber noch ein weiteres
Phänomen auf. Durch süd- bis südwestliche Überströmung der Alpen
bildete sich auf deren Nordseite ein warmer und trockener Fallwind
aus, der auch besser als Föhn bekannt ist. Dieser hatte es in sich,
denn in den vergangenen Tagen nahm der Wind auf den Kammlagen der
Alpen sowie in den prädestinierten Tälern stetig zu. Am gestrigen
Donnerstag (17.09.2015) konnten an der Station auf der Zuspitze sogar
Orkanböen mit Geschwindigkeiten von 169 km/h gemessen werden.
Ein weiterer Effekt des Föhns ließ sich in den thermischen
Gegensätzen in Deutschland erkennen. Bereits in der Nacht zum
Donnerstag wurde an der Station Siegsdorf-Höll östlich des Chiemsees
ein nächtliches Minimum von 22,8 Grad Celsius und somit eine
tropische Nacht registriert. Für den September ist dies eine
ausgesprochene Seltenheit. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen
schafften das deutschlandweit bisher nur wenige Stationen. An der
Station im knapp 200 km entfernten Oberstdorf wurde in der Nacht zum
Donnerstag ohne Föhneinfluss lediglich eine nächtliche Temperatur von
8,1 Grad Celsius registriert.
Damit aber noch nicht genug. Am gestrigen Donnerstag (17.09.2015)
geriet die Front von ex-HENRI über Deutschland ins Wellen und kam
somit nur sehr langsam ostwärts voran. Entsprechend bekamen vor allem
die Westhälfte sowie der Norden und Nordosten Deutschlands reichlich
kühles Nass ab. Der Südosten blieb dagegen noch längere Zeit von
Niederschlägen verschont. Entsprechend konnte der Föhn dort im
Tagesverlauf nochmal richtig einheizen. Kein Wunder also, dass die
großen thermischen Gegensätze in Deutschland aufrechterhalten wurden.
An der Station in Gottfrieding (Bayern) stieg das Thermometer auf
heiße 34,0 Grad Celsius, während es in der meist verregneten
Westhälfte deutlich kühler blieb. Dort lagen die Temperaturen
teilweise sogar unter 15 Grad. Die deutschlandweiten Tageshöchstwerte
des gestrigen Donnerstags finden Sie in der Grafik unter
www.dwd.de/tagesthema.
Im Tagesverlauf des Donnerstags nahm die wellende Front von Tief
ex-HENRI dann Fahrt auf und verlagerte sich im Tagesverlauf ostwärts
über Baden-Württemberg und Bayern hinweg. Im Zusammenspiel mit dem
Föhnsturm bildete sich eine kräftige Druckwelle im bayrischen
Alpenvorland aus. Diese sorgte sogar auch im Flachland für teils
schwere Sturmböen, wie in Fürstenzell (Bayern) mit 90 km/h am
gestrigen Abend gemessen werden konnte.
Heute gestaltet sich das Wettergeschehen nach Abzug der Kaltfront
wieder etwas ruhiger. Zum Wochenende nimmt dann Hoch MAYBRIT
zunehmend Einfluss auf Deutschland. Wie das Wetter zum Wochenende
wird, können Sie für Ihre Region unter www.dwd.de/regionenwetter
nachlesen.
M.Sc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.09.2015
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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