Warum kann es im Sommer eigentlich hageln?
Warum kann es im Sommer eigentlich hageln?
Bei der Entstehung von Gewittern mit Hagelschlag spielen prinzipiell mehrere Faktoren eine Rolle, was den Entstehungsmechanismus sehr kompliziert gestaltet. Grundsätzlich muss die Atmosphäre sehr feucht und energiegeladen sein. Kommt es nun zu Hebungsvorgängen, die die energiereiche Luftmasse in die Höhe befördert, beispielsweise dynamisch an einer Luftmassengrenze oder durch das erzwungene Aufsteigen an Gebirgen, wird diese abgekühlt, sodass es zur Kondensation des Wasserdampfes in der Luft und entsprechend zur Quellwolkenbildung kommt. Liegt ausreichend Energie vor, können sich die Quellwolken immer weiter auftürmen und zu einer hochreichenden Gewitterwolke, einem sogenannten Cumulonimbus, heranwachsen. Bei vorherrschender „Windscherung“, das heißt einer Zunahme der Windgeschwindigkeit und einer Änderung der Windrichtung mit der Höhe, wird zudem die Lebensdauer der Gewitterzellen verlängert.
Innerhalb einer solchen mächtigen Cumulonimbuswolke, die in unseren Breiten bis in Höhen von etwa 11 Kilometern heranwachsen kann, liegt ein großer Flüssigwassergehalt vor und es herrschen starke Auf- und Abwinde. Mit den Aufwinden werden sehr viele Wassertröpfchen mit Geschwindigkeiten von teils über 100 Kilometern pro Stunde in eisige Höhen katapultiert. Aber selbst dort ist es möglich, dass die Tropfen flüssig vorliegen, bei Temperaturen weit unter 0 Grad Celsius. Man bezeichnet sie dann als unterkühlt. Wer schon einmal eine Wasserflasche längere Zeit im Eisfach vergessen hat, wird dieses Phänomen vielleicht kennen. Nimmt man die Flasche aus dem Eisfach und schüttelt diese kräftig oder öffnet ihren Verschluss, kann man dem Wasser beim sofortigen Gefrieren zusehen.
Selbstverständlich gibt es aber auch Eispartikel in diesen Höhen, die zunächst noch recht klein sind. Nach den Gesetzen der Physik können aber gerade diese kleinen Eispartikel auf Kosten der unterkühlten Tröpfchen rasch anwachsen. Sind die Aufwinde nicht mehr imstande, die angewachsenen Partikel aufgrund ihres Gewichts in die Höhe zu transportieren oder verlassen diese den Bereich der stärksten Aufwinde, beginnen die Eispartikel zu fallen. Dabei können sie beim Kontakt mit anderen Tropfen im Fallen weiterhin an Größe und Gewicht zunehmen.
Weiter unten in der Gewitterwolke fallen die Hydrometeore (Oberbegriff aller Ausscheidungen atmosphärischen Wasserdampfs in flüssiger und fester Form zu denen auch der Hagel zählt) erneut in starke Aufwinde, die neue Luftmassen ansaugen und in die Höhe transportieren. Diese sind in der Lage, auch zentimetergroßen Hagel wieder aufwärts in extreme kalte Regionen von meist unter – 40 Grad Celsius zu befördern. Diesen Prozess durchlaufen die Eispartikel mehrmals, immer wieder auf und ab und können dabei unter bestimmten Bedingungen zu mehr als tennisballgroßen Hagelkörnern anwachsen. Erreichen sie ein kritisches Gewicht und überwinden die starken Aufwinde, fallen sie zu Boden. Zwar schmelzen die Hagelgeschosse auf ihrem Weg zum Erdboden etwas ab, trotzdem können sie Durchmesser von mehreren Zentimetern erreichen. Hydrometeore, die einen Durchmesser unter 5 Millimeter aufweisen, fallen übrigens nicht in die Kategorie Hagel, sondern werden als Graupel bezeichnet.
Am 23.07.2013 wurde in Vivian (South Dakota, USA) ein Hagelkorn mit einem Durchmesser von 20,32 cm registriert und hält den weltweiten Rekord im Bezug auf den Durchmesser eines Hagelkorns. Wie gefährlich Hagel auch in Deutschland sein kann (ohne die diesjährigen Hagelereignisse verharmlosen zu wollen), zeigt sich am Beispiel eines Hagelunwetters auf der Schwäbischen Alb im Kreis Reutlingen in Baden-Württemberg am 6. August 2013. Dort gingen Hagelsteine mit einem Durchmesser zwischen 8 und 10 cm nieder, einzelne Körner wiesen sogar über 14 cm auf. Damit man sich diese Größen besser vorstellen kann, sei an dieser Stelle erwähnt, dass ein Fußball der Standard-Ballgröße 5 wie er im Profisport verwendet wird, einen Durchmesser von 21 cm besitzt, der Tennisball bringt es auf knapp 7 cm. Befinden Sie sich bei Aufzug eines Gewitters im Freien, sollten Sie also nicht nur aufgrund der Gefahr von Blitzeinschlag schnellstmöglich einen geschützten Unterschlupf aufsuchen.
MSc.-Met. Sebastian Schappert Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 26.07.2015 Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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